Gesundheit auf Rädern – Automotive Health als Zukunftsfeld der Autoindustrie?
Kürzlich diskutierten Expertinnen und Experten aus Medizin, Automobilindustrie, Forschung und Wirtschaft im Universitätsklinikum des Saarlandes über die Zukunft von „Automotive Health“. Eingeladen hatten das Zentrum für Digitale Neurotechnologien Saar (CDNS) gemeinsam mit der Wirtschaftsförderungsagentur saaris- saarland innovation und standort GmbH, unterstützt vom DiSerHub. Die zentrale Frage: Kann das Auto der Zukunft mehr sein als ein Transportmittel – nämlich ein aktiver Partner für Gesundheit, Prävention und medizinische Versorgung?
Universitätsmedizin als Brückenbauer
Schon in der Einführung wurde deutlich: Automotive Health ist weit mehr als technische Raffinesse. Der größte Teil von Automotive Health befasst sich mit digitalen Produkte und Dienstleistungen, die die im Kontext zur Mobilität anfallenden Daten nutzen. „Autos retten künftig nicht nur Leben bei Unfällen – sondern schon davor“, betonte Benedict Hürter von Docs in Clouds TeleCare. Er erinnerte an das seit 2007 in Aachen entwickelte Telenotarztsystem, das heute in Rettungsdiensten etabliert ist und als Blaupause für neue Versorgungswege dienen kann.
Das Saarland bietet für Automotive Health einen besonderen Nährboden: Mit dem CDNS besteht hier seit 2021 ein bundesweit einzigartiges Kompetenzzentrum, das eng mit der Universitätsmedizin zusammenarbeitet. Klinische Validität, Real-World-Daten und interdisziplinäre Forschung eröffnen neue Perspektiven – von der Prävention über die Früherkennung bis hin zur telemedizinischen Rettungskette.
Driver Monitoring als Schlüsseltechnologie
Ein Fokus der Veranstaltung lag auf dem sogenannten Driver Monitoring. Kamerasysteme und Sensoren, die bereits heute schon kontinuierlich Aufmerksamkeit, Stresslevel, Müdigkeit oder auch gesundheitliche Notfälle erkennen, stehen ab 2026 ohnehin auf der Agenda: Die EU-General Safety Regulation (GSR) macht entsprechende Systeme verpflichtend. Für die Expertinnen und Experten ist dies ein entscheidender Schritt.
„Von Nice-to-have zu Must-have: Automotive Health ist viel mehr als der Massage-Sitz“, erklärte Dr. Manfred Knye, Orthopäde, Autor und Begründer des Begriffs Automotive Health. „Das Auto wird als „privater Raum“ wahrgenommen – ideal, um Gesundheitsthemen individuell nutzbar zu machen. Aber wir stehen vor einem „Kodak-Effekt“: Die Hersteller tun sich schwer, notwendige Innovationen umzusetzen, weil sie ihre Geschäftsmodelle nicht umstellen wollen.“
Chancen für neue Geschäftsmodelle
Gerade deshalb diskutierten die Teilnehmenden intensiv über Geschäftsmodelle. Für OEMs wird es perspektivisch zur strategischen Notwendigkeit, ihre Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern. Künftig reicht es nicht mehr aus, das Auto als Endprodukt in den Mittelpunkt zu stellen. Vielmehr müssen sie sich entscheiden, ob sie als Produzenten umfassender Mobilität oder als Zulieferer für Mobilitätsanbieter auftreten. Im Kontext von Automotive Health müssten die Gesundheitsdaten nicht nur erhoben, sondern in konkrete, verständliche Services für Fahrerinnen und Fahrer übersetzt werden.
„Brücken bauen heißt Innovation ermöglichen: Gesundheit und Mobilität verzahnen sich und ermöglichen neue Ansätze personalisierter Gesundheitsversorgung“, sagte Benedikt Hürter von Docs in Clouds.
Auch Dr. Norbert Pfleger von der SemVox GmbH betonte die Rolle intelligenter Assistenzsysteme: „Moderne KI-Assistenzsysteme im Fahrzeug entwickeln sich zu digitalen Companions – sie kennen den Fahrer, verstehen den situativen Kontext und reagieren intelligent auf physiologische und kognitive Zustände. Damit wird das Fahrzeug zum personalisierten Gesundheitsraum.“
Medizinische Use Cases: Von Orthopädie bis Neurologie
Das Auto der Zukunft fungiert als intelligenter Gesundheitsbegleiter: Mit Sensorik und KI analysiert es Luftqualität sowie Atem-, Bild- und Videodaten der Insassen, um diskret und in Echtzeit Hinweise auf mögliche Erkrankungen zu erkennen. Weitere Anwendungsbeispiele wie virtuelle Therapeuten im Auto oder KI-gestützte Systeme zur Unterstützung bei neurologischen Erkrankungen zeigen, dass Automotive Health längst keine ferne Zukunft mehr ist.
Von der Vision zur Realität
Die Diskussion machte deutlich: Die technologischen Möglichkeiten sind längst vorhanden. Was fehlt, ist der Mut, sie systematisch einzusetzen und mit tragfähigen Geschäftsmodellen zu unterlegen. Dr. Knye brachte es auf den Punkt: „Gesundheit ist nicht sexy für Autohersteller – aber für Versicherungen, Kostenträger und natürlich für den Menschen, für ihn ist sie enorm relevant.“
Am Ende waren sich die Expertinnen und Experten einig: Automotive Health wird ein Zukunftsfeld, das nur interdisziplinär gelingen kann. Technik, Medizin, Recht und Ethik müssen zusammengedacht werden. „Die Frage ist nicht mehr, wie man von A nach B kommt“, so Knye, „sondern was man in dieser Zeit macht. Und genau hier liegt der Zusatznutzen: Mobilität wird zum Gesundheitsgewinn.“
Mit einem Empfang endete die Veranstaltung – die Debatte um Automotive Health jedoch fängt gerade erst an.
Sie finden das Thema spannend und möchten mit daran arbeiten? Dann kontaktieren Sie gerne unsere dafür verantwortliche saaris-Mitarbeiterin Heike Ziegler-Braun.





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